Hamsterrad toxische Partnerschaft - wieso es so schwer fällt

von Raquel Stahl 21. Februar 2023

Hinweis: Ich gendere nicht. Der "toxische Partner" kann sowohl Frau als auch Mann sein. Der Einfachheit halber spreche ich von "er".

Eins ist mir heute glasklar. Es kann jeden treffen. Betroffen von toxischen Beziehungen sind alle Geschlechter und auch alle Schichten. Ich hatte auch Gespräche mit Betroffenen, die klar aussagen, dass sie eine behütete Kindheit hatten, ohne jegliche Gewalt.

Ich erinnere mich an eine Szene in meiner toxischen Beziehung, bei der ich mein Weinglas vor Wut durch das Wohnzimmer schoss und gleichzeitig schrie, dass ich nicht der Mensch bin, den er ständig kritisierte. Heute weiß ich, dass es sich hierbei um reaktiven Missbrauch handelte. Eins von vielen Kennzeichen einer toxischen und ungesunden Beziehung ist, das Schikanieren und Provozieren in der sogenannten "Destabilisierungsphase". Dabei werden traumatische Kindheitserlebnisse bewusst getriggert. Es wird also ein Trauma ausgelöst, dass du als Kind erlebt hast. Du wirst sozusagen retraumatisiert.

Wie toxische Partner das anstellen, möchtest du wissen? Ganz einfach. Sie haben einen Persönlichkeitsanteil, der gelernt hat und dafür sorgt, dass sie sich alle Punkte anderer Menschen merken, die sie als Schwachstelle identifizieren. Das machen sie deswegen, weil sie diese Schwachstelle zu gegebener Zeit für sich nutzen wollen. Sie haben gelernt andere dadurch zu beeinflussen, in ihrem Sinne also zu manipulieren und auch sich selbst zu schützen vor Angriffen.

Zurück zu meiner Geschichte. Ich war nicht stolz auf meine Reaktion. Ich flippte so aus, dass ich hinterher zusammengekauert saß und mich fragte "wann bin ich so geworden? So will ich nicht sein". Mein DrJekyll hatte sich gerade wieder in Mr Hayde verwandelt und hörte nicht damit auf, mich genau in diesem Moment weiter zu beleidigen. Kurz, für diejenigen, die DrJekyll und Mr Hayde nicht kennen, Dr Jekyll und Mr. Hyde sind literarischer Inbegriff einer Multiplen Persönlichkeit. Die Diagnose ist ebenso faszinierend wie unheimlich: Eine multiple Persönlichkeit wird aus der Not geboren, und die unterschiedlichen Ichs haben häufig keine Ahnung von der Existenz der jeweils anderen.

Ich schaute schweigend aus meiner zusammengekauerten Position auf, zu meinem damaligen Partner, und sprach innerlich zu mir "Noch nie hast du zugelassen, dass jemand so mit dir spricht und dich so abschätzig behandelt". Es war der Tag als ich innerlich entschied, dass diese Beziehung ein Ablaufdatum hatte, nur die Umsetzung gelang mir noch nicht.

Wie konnte es so weit kommen? Es war schleichend. Da saß ich nun. Knapp 5 Jahre später. Innerhalb kürzester Zeit waren wir zusammen gezogen. Wir buchten ein Traumurlaub nach dem anderen, heirateten nach nur 5 Monaten, bekamen zwei Kinder und kauften ein Haus. Ich hatte mich in bewusster finanzieller Abhängigkeit begeben, weil man das ja so macht, wenn einem die Familie wichtig ist und die Kinder priorisiert werden. Und ich begab mich auch, unbewusst, in eine emotionale Abhängigkeit. Ich ignorierte und unterdrückte ständig meine inneren Signale, die mir immer wieder aufzeigten, dass etwas nicht stimmte.

Der Traum, der zum Albtraum wurde. Aber ich hielt so sehr fest an diesem Wunsch in meinem Kopf, diese glückliche Familie endlich zu haben, nach der ich mich so sehnte, dass ich im Selbstbetrug immer besser wurde. Ich nahm es lange Zeit hin für meinen Traum, dass meine Grenzen nicht geachtet wurden, dass mich ständige Schuldgefühle plagten, ich immer unausgeglichener und dünnhäutiger wurde und ich plötzlich isoliert war und mit niemandem über meine Gefühle sprechen konnte.

Das Muster toxischer Beziehungen ist immer dasselbe:

Love-Bombing und gern auch Idealisierungsphase genannt. Alles ist zu schön, um wahr zu sein. Du wirst mit Liebe überschüttet.
Fast Forwarding und Future Faking, alles im Schnelldurchlauf und Versprechungen, die dir das Gefühl geben, die perfekte Beziehung gefunden zu haben, Ziel: Du bist die Eine, die Beste, etwas ganz Besonderes.
Destabilisierung, alles das, was dir Halt gibt, wird dir sukzessiv genommen, bspw. durch Entwertungen, die dein Selbstwertgefühl destabilisieren, durch Ankündigungen der Trennung, durch Silent treatment (Liebesentzug), durch Provokationen zur Auslösung deiner Kindheitstraumata und auch Maßnahmen, um dein Netzwerk und Umfeld auszuschalten, mit dem Ziel der Isolation. Um dich zu isolieren, muss nicht immer direkt ein Verbot ausgesprochen werden. Die Familie und Freunde schlecht machen, bestimmte Menschen gezielt für sich gewinnen, im Gegenteil dazu auch mal unsympathisch und desinteressiert Auftreten bei Treffen mit Freunden oder in der Schuld stehen von bestimmten Menschen deines Umfeldes. All das kann ebenfalls dazu führen, dass du niemanden hast, der mal anruft und nach dir fragt oder wenn du es selbst versuchst, deine Sorgen nicht ernst genommen werden.
Anpassungsphase, selbstverständlich nur durch denjenigen, der destabilisiert wird. Mit der erlernten Strategie aus der Kindheit versucht jetzt die andere Seite gegen die Destabilisierungsversuche anzukommen. Kontrolle behalten, ist nicht nur für den Täter wichtig. Auch für das Opfer in dieser Beziehung ist die Kontrolle enorm wichtig, lediglich die Strategie ist eine andere. "Ich muss mich nur mehr anstrengen, dann wird das schon" lautet hier das Motto.
Abhängigkeiten schaffen, es wird dafür gesorgt, dass du das bekommst, was du dir wünscht, und zwar üppig und im Überfluss, sodass deine Freudehormone aufschreien vor Glück, wenn du es erhältst und wieder aufschreien vor Entsetzung, wenn es ausbleibt. Das kann alles sein, was im Gehirn, im Bereich des sogenannten Belohnungssystems, die bekannten Glücksgefühle auslöst. Bspw. das Gefühl geliebt zu werden, ein Sicherheitsgefühl, ein Gefühl der Geborgenheit, oder Ekstase artige Gefühle, die über Konsum, Sex oder Aktionen, die Nervenkitzel auslösen, erzeugt werden. Leider weißt du zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es sich hierbei immer um Deals handelt. Du bekommst das alles nur, wenn du lieb und brav bist und alles nach den Wünschen und Bedürfnissen des Partners tust, aber auch nur dann, wenn er es will. Willkommen im Hamsterrad, die Fahrt geht los. Jetzt kannst du dich so sehr bemühen und abmühen wie du willst, du vermeidest nicht das beliebte Spiel "Zuckerbrot und Peitsche", um dich auch weiter auf Trab zu halten. Genau dieses Spiel erzeugt eine Abhängigkeit im Gehirn, die vom Mechanismus identisch ist mit dem im Gehirn eines Junkies, der sich nach seiner nächsten Spritze sehnt.
Trennungswunsch, du erkennst, dass diese Beziehung nicht gut ist für dich und lässt es vielleicht "durchblicken". Du erkennst, dass du dich so sehr bemühen kannst wie du willst, es verhindert nicht, dass du weiterhin entwertet wirst und als allein verantwortliche deklariert wirst für das Gelingen der Beziehung. Du willst raus, aber schaffst die Umsetzung nicht.
Frischaltephase Hier folgen Aktionen, die dafür sorgen, dass du weiterhin in dieser missbräuchlichen Beziehung bleibst. Die Beziehung soll also aufrecht erhalten werden, solange er noch Nutzen daraus zieht, ansonsten wird keine Energie reingesteckt. Was hier passiert, ist abhängig von eurer Beziehungsdynamik. Es hängt davon ab bspw. wie viel du bereit bist aufzugeben. Es hängt davon ab, wie viel du bereit bist zu ertragen. Und, es hängt von deinen "wunden Punkten" ab, an denen er dich immer wieder kriegt. Auch die Steigerung des Missbrauchs ist eine Frischhalte-Taktik. Das können weitere Manipulationen sein wie bspw emotionale Erpressung, deine Tugenden infrage stellen, um dir ein schlechtes Gewissen einzureden oder auch direkte oder subtile Androhung von Gewalt bzw. Ausübung dieser bis hin zum Hoovering. Hoovering ist der englische Begriff für "Staubsaugen" und startet immer dann, wenn du fest entschlossen in die Trennungsumsetzung gehst. Es meint, die Versuche dich durch positiver und liebevoller Zuwendung und Überschüttung von Liebeserklärungen, ähnlich wie beim Love - Bombing, wieder dazu zu bewegen in der Beziehung zu bleiben bzw. zurückzukehren.

Manche bezeichnen "Discard" ebenfalls als eine Phase einer toxischen Beziehung. Gemeint ist, dass der toxische Partner dich entsorgt und/oder austauscht gegen jemand Neues. Ich sehe das eher als glücklichen Zustand, außerhalb des toxischen Beziehungssystems wird ein Neues aufgebaut. Diesen Zustand solltest du schnellstens für dich nutzen, um dich von deiner emotionalen Abhängigkeit und auch allen anderen Abhängigkeiten zu lösen und dein zerstörtes Selbstbild wieder aufzubauen. Beim Discard wird dieser Kreislauf unterbrochen, weil er sich einer neuen Energie- und Missbrauchsquelle zuwendet. Falls du noch nicht über den Punkt der emotionalen Abhängigkeit bist, solltest du die Regel Nr.1 "No Contact" einführen. Meide jede Begegnung und blockiere alle Kanäle. Ein bisschen an der Whiskeyflasche riechen, davon wird Alkoholabhängigen auch eher abgeraten und der Weinkeller sollte auch vermieden werden. Halte dich also fern von deiner persönlichen Droge.

Falls du es aus eigener Kraft schaffst und er nicht damit einverstanden ist, dass du die Entscheidung der Trennung triffst, gibt es zwei mögliche Konsequenzen. Die eine ist, dass das Ende umdeklariert wird in "seine Entscheidung", denn alles andere ist eine Form von Ablehnung, die er nicht ertragen kann. Die "Glücklichen" werden jetzt in Ruhe gelassen, doch für viele startet eine Maschinerie zwischen Hoovering und narzisstischer Wut. Erkennbar daran, dass sie innerhalb eines Kommunikationsaustausches wechseln können zwischen "Ich war noch nie so glücklich wie mit dir. Das war die beste Zeit meines Lebens." und "Du bist so krank und erbärmlich." Nachtrennungsgewalt wie bspw. Stalking, Erpressungen, Drohungen, Schmierkampagnen bis hin zu Femiziden sind die traurige Bilanz der schweren Fälle toxischer Ex-Partner.

Ein wunderbares Promi-Beispiel sind Kim Kardashian und ihr Ex-Mann, und Vater ihrer vier Kinder, Kanye West. In den Medien berichteten sie davon, dass Kanye seine Fans auf Kim hetzte nachdem sie einen neuen Partner hatte. Ein sehr typisches Verhalten narzisstischer Wut nach einer Trennung. Viel interessanter allerdings empfand ich die Tatsachen, die Kim Kardashian in ihrer Reality Show preis gab. In einer Folge, in der sie bereits getrennt waren, erzählte sie, dass sie in nur noch einem Punkt abhängig sei von ihrem Ex-Mann. Er kümmerte und entschied schon immer über ihre Garderobe und das tat er auch weiterhin, auch nach der Trennung. Ja, das hast du richtig gelesen. Eine Kim Kardashian hat sich immer vorschreiben lassen mit welchen Outfits sie zu welcher Veranstaltung gehen sollte. Ich kann mir das nicht anders erklären, als dass er ihr eine Gehirnwäsche verpasst haben muss, dass eine Frau wie Kim Kardashian hier eine Abhängigkeit und Unsicherheit hat, nicht selbstständig die richtigen Outfits auswählen zu können. Da sind wir wieder beim Thema, dass es jeden treffen kann. Eine weitere interessante Geschichte war, dass Kim Kardashian von einem Unbekannten erpresst wurde, wie schon mal 20 Jahren zuvor, private Videos von ihr zu veröffentlichen. Ihr Ex-Mann Kanye West wurde von Kim Kardashian und ihrer Familie gefeiert, weil er heldenhaft diese Videos besorgen konnte. Ein Schelm, wer denkt, dass er das ganze selbst inszeniert haben könnte.

Der Satz "Ich hatte es mir so sehr gewünscht", ist übrigens einer, den ich sehr häufig in meinen Sitzungen höre. Heute coache ich Mütter, die aus toxischen Beziehungen kommen und nicht mehr unter der Beziehung, sondern unter der Nachtrennungsgewalt leiden. Der toxische Ex-Partner versucht seine Macht und Kontrolle weiterhin auszuüben. Sie wollen alle ein friedliches und unbeschwertes Leben für ihre Kinder und sich. Und das ist auch möglich, wenn man die Muster erkennt, das Spiel versteht und sich entsprechend aufstellt.

Bist du Betroffene und möchtest raus aus dieser Abwärtsspirale des Unfriedens? Dann buche dir gerne ein erstes Orientierungsgespräch mit mir und wir finden gemeinsam heraus, welche Strategie die richtige für dich ist.

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